Der Mietwohnungsmarkt Schweiz ist noch nicht im Lot, weil wir auf die verkehrten Indikatoren abstützen. Zudem bauen wir immer noch die falschen Wohnungen, an den eigentlichen Bedürfnissen der Mieter vorbei.

Die Schweiz verzeichnet seit einigen Jahren eine überdurchschnittliche Bautätigkeit im Segment Wohnen. In den letzten 5 Jahren wurden im Schnitt über 45 000 Wohnungen und Einfamilienhäuser1 neu erstellt. Aber bauen wir auch die richtigen Wohnungen und was haben die neusten wirtschaftlichen Entwicklungen für Auswirkungen auf den Mietwohnungsmarkt?


Drei Faktoren beeinflussen den Mietwohnungsmarkt
Der Mietwohnungsmarkt Schweiz wird primär von drei Faktoren beeinflusst. Da ist einerseits die Produktion von neuen Wohnungen und Einfamilienhäusern. Anderseits ist aber auch die Haushaltsgrösse (Anzahl Personen pro Wohneinheit) von Bedeutung. In dieser Kennzahl widerspiegelt sich die Tendenz unserer neuen Lebensformen mit immer mehr Kleinsthaushalten. Letztendlich hat natürlich auch der Zuwanderungssaldo einen gewichtigen Einfluss auf den Wohnungsmarkt. Seine Bedeutung wird jedoch im Allgemeinen überbewertet.


Wir erstellen die falschen Wohnungen
Aktuell existieren landesweit knapp 4,3 Mio Wohneinheiten und jeden Tag werden auf 10 Fussballfeldern neue Wohnflächen gebaut. Der Mietwohnungsbau läuft somit weiter auf Hochtouren und wird im 2015 einen neuen Höchststand erreichen. Ein Blick über die Grenze zeigt, dass bei uns die Produktion von 5,542 Neuwohnungen pro tausend Einwohner im Vergleich zu Deutschland mit 2,273 um das Doppelte übertrifft und auch Österreich mit 4,824 deutlich überragt. Die Produktion in der Schweiz bewegt sich seit einigen Jahren auf hohem Niveau, in einer Bandbreite zwischen 40000 bis 50000 Einheiten. Dies entspricht einer jährlichen Zunahme von ca. 1% auf den ganzen Wohnungsbestand.

Obwohl die Einpersonenhaushalte die grösste Kundengruppe im Mietwohnungsmarkt sind und wir bereits einen Überhang an Grosswohnungen (4 und mehr Zimmer) haben, erstellen wir heute immer noch überproportional viele Wohnungen (55%) in diesem Segment. Ungeachtet der starken Nachfrage nach 2-Zimmer-Wohnungen werden weniger als 15% der neuen Wohnungen in dieser
Grösse gebaut. Wenn man bedenkt, dass ein Investor sein Leerstandsrisiko mit Kleinwohnungen reduzieren kann, erstaunt es umso mehr, dass diese Logements nicht vermehrt erstellt werden. Immerhin werden gegenwärtig prozentual leicht mehr 2-Zimmer-Wohnungen produziert als der aktuelle Bestand aufweist.


Die Zuwanderung ist nicht der primäre Treiber der Nachfrage
Allgemein wird angenommen, dass die überdurchschnittliche Bevölkerungseinwanderung in den letzten Jahren der Treiber für die anhaltend ausserordentliche Bautätigkeit ist. Der weitaus wichtigere Indikator ist jedoch die Entwicklung der Haushaltszahl in einer Gemeinde. Deshalb Haushalte statt Köpfe zählen, um das Marktpotenzial zu erkennen. Vergleicht man die Haushaltsgrösse mit der Entwicklung der Wohneinheiten stellt man fest, dass bei Gemeinden wie zum Beispiel Birsfelden mit kleinen Haushalten (1,99 Personen pro Haushalt im 20135) auch kaum eine Zunahme der Wohneinheiten und Bevölkerung auszumachen ist. Auf der anderen Seite weist Biel-Benken ein überdurchschnittliches Wachstum bei der Bevölkerung (19,4%5) als auch bei den Wohneinheiten (23,5%5) auf. Trotzdem ist die Haushaltsgrösse mit 2,49 (Personen pro Haushalt im 20135) noch immer auffallend hoch – aus der Korrelation der Zahlen lässt sich ableiten, dass Biel-Benken nach wie vor ein Marktpotenzial und ein Bedarf nach zusätzlichen Wohneinheiten aufweist.

Die Nachfrage nach Mietwohnungen hat den Zenit überschritten
Nach zwei Spitzenjahren 2013 und 2014 mit einer Nettozuwanderung von über 80000 Personen wird die Zuwanderung im laufenden Jahr spürbar nachlassen. Hauptgrund für den erwarteten Rückgang ist die wirtschaftliche Eintrübung verbunden mit der Abschwächung des Beschäftigungswachstums. Durch die von der FINMA erlassene Verschärfung der Finanzierungsregeln und die hohen Preisen beim
Wohneigentum, können sich gegenwärtig weniger Haushalte Wohneigentum leisten. Dadurch wird die Nachfrage auf dem Mietwohnungsmarkt gestützt. Unter dem Strich dürfte dieser Effekt trotzdem nicht ausreichen, die zuwanderungsbedingt leicht geringere Nachfrage zu kompensieren. Verbunden mit den eingetrübten Konjunkturaussichten, aufgrund der Aufgabe des Mindestwechselkurses ist deshalb von einer etwas schwächeren Nachfrage nach Mietwohnungen auszugehen. Sofern die Produktion von Mietwohnungen nicht gedrosselt wird und sich mittelfristig die Nachfrage vor allem ausserhalb der Zentren abschwächt, ist lokal mit Überangeboten zu rechnen. Eine Umkehr vom Vermieter- zum Mietermarkt zeichnet sich hingegen nur langsam ab und wenn, dann primär ausserhalb der Zentren und eher bei grossen Wohnungen. Generell kann allerdings von einer Entspannung beim Mietpreisdruck
ausgegangen werden.


Sonne, Mietzins und Platzangebot sind die wichtigsten Kriterien
Um das richtige Angebot bereitstellen zu können, ist es natürlich essentiell, neben der Anzahl Zimmer, die Bedürfnisse und subjektiven Beurteilungskriterien der Wohnungssuchenden zu kennen. Gemäss dem Immo-Barometer 20146 sind Sonne/Lichtverhältnisse, der Mietzins und die Geräumigkeit die wichtigsten Faktoren bei den Umzugswilligen. Am anderen Ende der Skala finden sich die Änderungsmöglichkeiten an der Wohnung, die Anzahl der Badezimmer/WC und die Grösse von Keller und Abstellräumen. Bei den externen Faktoren sind das Angebot von öffentlichen Verkehrsmitteln sowie der Arbeitsweg die entscheidenden Kriterien. Obwohl viele Kommunen und Bauherren viel Geld in die Begrünung von Strassen und Quartieren investieren, ist dieser Punkt, etwas überraschend, am wenigsten wichtig bei den Wohnungssuchenden. Es gilt diese Erkenntnisse bei der Planung und Entwicklung von neuen Wohnräumen zu beachten und nicht wie so oft, an alten und traditionellen Mustern festzuhalten und vor allem: Es braucht mehr Kleinwohnungen im Wohnungsmarkt Schweiz.

 

Erkenntnisse Mietwohnungsmarkt Schweiz:

  • Der Mietwohnungsmarkt Schweiz wächst überdurchschnittlich.
  • Die Entwicklung der Bevölkerungszahl ist ein schlechter Indikator bezüglich Nachfrage nach Wohneinheiten.
  • Die Entwicklung der Haushaltszahl ist der richtige Indikator. Deshalb Haushalte statt Köpfe zählen um Marktpotenzial zu erkennen.
  • Strukturelle, stetige Zunahme der Kleinhaushalte ist wenig beachteter Haupttreiber der Nachfrage.
  • Einpersonenhaushalte sind und bleiben die grösste Kundengruppe im Mietwohnungsmarkt.
  • In den vergangenen Jahren wurden v. a. grosse Wohnungen gebaut.
  • Der Neubau von Kleinwohnungen lohnt sich für Mieter, Investoren und Volkswirtschaft
  • Stabile Nachfrage in den Zentren, Leerstandsrisiko in ländlichen Regionen

 

Autor: Reto Brunner, Intercity Basel AG
Dieser Artikel entstand im Rahmen des MAS Immobilienmanagement an der Hochschule Luzern

1BFS – Statistisches Lexikon der Schweiz
2BFS – Jahresdurchschnitt 2010 – 2013
3de.statista.com
4statistik.at
5Statistik Baselland
6Forschungsreihe der NZZ und Wüest&Partner

 

Quelle: BAZ vom 22.05.2015, Seite 27

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